Frühkindliche Karies kommt immer noch viel zu häufig vor. Mit der Einführung von zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen kann jetzt vom ersten Zahn an eine evidenzbasierte Prävention für Kleinkinder in der Zahnarztpraxis erfolgen. Dabei stehen praktische Unterweisungen der Eltern und die Applikation von Fluoridlack im Vordergrund.
Zum 1. Juli 2019 sind drei neue Früherkennungsuntersuchungen (FU 1a–c) für Kinder vom 6. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden (Tab. 1). Außerdem können Zahnärzte bei allen Kindern zweimal je Kalenderhalbjahr die Fluoridlackierung (Abrechnungsposition: FLA) zur Schmelzhärtung anwenden.
Wie bisher haben Kinder bis zum vollendeten 72. Lebensmonat (6. Geburtstag) zudem Anspruch auf drei weitere vertragszahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen (FU 2). Auch die Verknüpfung mit der kinderärztlichen Kompetenz konnte in Form der bereits im Juli 2016 eingeführten sechs Verweise vom (Kinder-)Arzt zum Zahnarzt im gelben Kinderuntersuchungsheft (U-Heft) erreicht werden (Tab. 1). Damit wurden frühe zahnärztliche Präventionsmaßnahmen für Kleinkinder jenseits der Beratungsleistung (Ä1) und der Untersuchung (01) etabliert, welche jetzt inhaltlich umgesetzt werden müssen.
Im Richtlinientext sind wichtige inhaltliche Merkmale festgeschrieben:
- die Inspektion der Mundhöhle,
- Aufklärung der Betreuungspersonen über die Ätiologie oraler Erkrankungen,
- die Ernährungs- und Mundhygieneberatung der Betreuungspersonen mit dem Ziel der Keimzahlsenkung durch verringerten Konsum zuckerhaltiger Speisen und Getränke auch mittels Nuckelflasche, verbesserte Mundhygiene und – soweit erforderlich – einschließlich praktischer Anleitung der Betreuungspersonen zur Mundhygiene beim Kind,
- die Erhebung der Anamnese zu Fluoridierungsmaßnahmen sowie -empfehlungen, zum Ernährungsverhalten (insbesondere zum Nuckelflaschengebrauch) sowie zum Zahnpflegeverhalten durch die Betreuungspersonen,
- die Empfehlung geeigneter Fluoridierungsmittel (fluoridhaltige Zahnpaste, fluoridiertes Speisesalz u. ä.).
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Leistungen gibt ein kostenloser, online verfügbarer Ratgeber praktische Handlungsempfehlungen und Tipps:
www.kzbv.de/ecc-ratgeber-einzelseiten-2016.download.78b1eb79e732ea8b84fbd65a60ccbc60.pdf
In der Anamnese werden die bisherigen Präventionsbemühungen wie die Fluoridnutzung, Putz- und Ernährungsgewohnheiten erfragt und darauf aufbauend optimiert. Bei der zahnärztlichen Untersuchung stehen kariöse Initialläsionen, Plaque und Gingivitis im Vordergrund, an denen sich die Kariesaktivität bei dem Kind gut ablesen lässt. Das Anfärben der Plaque visualisiert für die Eltern sehr eindrücklich die Schwachstellen bei der Mundhygiene, die im nachfolgenden praktischen Mundhygienetraining (FuPr) kompensiert werden sollten (Abb. 1 und 2).

Abb. 1: Anfärbung erleichtert die Visualisierung von Plaque und das Einüben der Zahnputztechnik sowie deren Erfolgskontrolle. (Quelle: Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis – Frühkindliche Karies vermeiden)

Abb. 2: Das praktische Zahnputztraining der Eltern an Zähnen eines Kleinkindes muss in der Praxis erfolgen (FUPr): Ein wichtiges Element für einen guten Zugang zu den Frontzähnen ist das Anheben bzw. Abhalten der Lippe. (Quelle: Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis – Frühkindliche Karies vermeiden)
Neben der Putzsystematik KAI (Kau-, Außen-, Innenflächen) empfiehlt es sich, den Eltern die sogenannte Lift-the-Lip-Technik zu zeigen. Damit lassen sich vor allem die Oberkiefer(front)zähne, die meist am schwersten von der frühkindlichen Karies betroffen sind, gut reinigen. Dabei sollte das Kind liegen, weil die Eltern so eine bessere Sicht im Oberkiefer haben.
Neue Fluoridempfehlungen
Fluoride und vor allem das zweimal tägliche häusliche Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpaste sind die zentrale Säule der Kariesprävention. Da Karies im Milchgebiss noch immer zu häufig vorkommt, wurde in Deutschland und auf europäischer Ebene eine Erhöhung der Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten auf 1.000 ppm empfohlen (Tab. 2a und b). Mittlerweile sind entsprechende Kinderzahnpasten im Handel zu finden. Zusätzlich wurde im Rahmen aller zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen die Fluoridlackanwendung zur Schmelzhärtung (FLA) eingeführt und dafür die bisherige Abrechnungsposition für Lokalfluoridierungen (BEMA-Nr. IP4) gestrichen. Die Fluoridlackanwendung kann zweimal je Halbjahr abgerechnet werden. In fachlicher und rechtlicher Hinsicht ist dabei ein Mindestabstand von zwei Monaten sinnvoll.
Prof. Christian. H. Splieth, Universität Greifswald
Literatur
BZÄK/KZBV (Bundeszahnärztekammer/Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung): Beck J, Eßer W, Gösling J, Husemann J, Kesler H, Oesterreich D, Santamaria Sanchez R, Schmoeckel J, Splieth C, Stein H, Ziller S. Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis – Frühkindliche Karies vermeiden. 2. Aufl. Berlin 2019. www.kzbv.de/ecc-ratgeber-einzelseiten-2016.download.78b1eb79e732ea8b84fbd65a60ccbc60.pdf
Toumba KJ, Twetman S, Splieth C, van Loveren C, Parnell C, Lygidakis NA. Guidelines on the use of fluoride for caries prevention in children: An updated EAPD policy document. Eur Arch Paediatr Dent 2019 in press; e-publication ahead ttps://doi.org/10.1007/s40368-019-00464-2