Im bundesweiten Netzwerk „Gesund ins Leben“ ist es gelungen, die abweichenden Ansätze beim Fluorideinsatz zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter zwischen Zahnärzten und Pädiatern zu konsentierten Handlungsempfehlungen zusammenzuführen. Die Dosierungen einer Zahnpaste mit 1.000 ppm Fluorid stehen im Einklang mit den europäischen Empfehlungen: Reiskorngröße bis zum 2. Geburtstag und Erbsengröße bis zum 6. Geburtstag.
Der erfreuliche Kariesrückgang in Deutschland beschränkt sich weitgehend auf die permanente Dentition. Im Milchgebiss hingegen sind seit zwei Dekaden kaum Verbesserungen festzustellen (1). Dies verwundert nicht, da der wichtige Faktor Fluoride mit einer Kinderzahnpaste von nur 500 ppm lange inadäquat berücksichtigt wurde und die Pädiater divergente Empfehlungen mit einer Präferenz für die Fluoridtablette beim Kleinkind abgaben. Daher ist es ausgesprochen hilfreich, dass jetzt einheitliche Empfehlungen zur Kariesprävention durch Fluoridanwendung im Rahmen des Netzwerkes „Gesund ins Leben“ durch alle relevanten Fachgesellschaften und -gruppen verabschiedet wurden (2). Diese lehnen sich an die europäischen Empfehlungen (3) an und nutzen früher und höher konzentriert die Fluoridzahnpaste (Abb. 1). Initial können Vitamin-D-Tabletten mit Fluorid genutzt werden. Mit dem Zahndurchbruch soll das regelmäßige Zähneputzen etabliert werden und spätestens mit dem 1. Geburtstag eine reiskorngroße Zahnpastamenge mit 1.000 ppm Fluoridgehalt zweimal täglich eingebürstet werden, ab dem 2. Geburtstag dann eine erbsengroße Menge.
Überdosierung vermeiden
Wegen der Gefahr einer Dentalfluorose in den bleibenden Zähnen sind bei der Fluoridnutzung im Kleinkinderalter Überdosierungen zu vermeiden (5, 6). Auf Basis der Empfehlungen der European Food Safety Authority (EFSA) gelang es, eine Balance zwischen einer kariespräventiv optimalen Fluoridmenge und einer Sicherheitsgrenze zur Vermeidung von Dentalfluorosen durch Berechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu finden. Dabei wurden die Fluoridaufnahme über die Nahrung einschließlich Trinkwasser, Tabletten, Salz und Verschlucken von Zahnpaste berücksichtigt, um selbst beim zusätzlichen Zähneputzen in der Gruppenprophylaxe keine Überschreitungen der tolerierbaren Tageshöchstmenge zu riskieren.
Alle Familien erreichen und befähigen
Um das weiterhin drängende Problem der frühkindlichen Karies zu lösen, können jetzt zusammen mit den 2019 neu eingeführten Kassenleistungen der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen (FU), praktischen Mundhygieneunterweisungen (FUPr) und Fluoridlackapplikationen (FLA) alle Akteure in der Individual- und Gruppenprophylaxe einheitliche Präventionsmaßnahmen umsetzen, um alle Bevölkerungsgruppen wirksam zu erreichen.
Prof. Christian H. Splieth, Universität Greifswald
Literatur
- Team DAJ. Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016. In. Bonn; 2017
- Netzwerks Gesund ins Leben (B. Berg, M. Cremer, M. Flothkötter, B. Koletzko, N. Krämer, M. Krawinkel, B. Lawrenz, H. Przyrembel, U. Schiffner, C. Splieth, K. Vetter, A. Weißenborn). Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter: Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Monatszeitschrift Kinderheilkunde 2021 im Druck. https://www.ble-medienservice.de/0250/empfehlung-zur-kariespraevention-im-saeuglings-und-fruehen-kindesalter-handlungsempfehlungen-des-netzwerks-gesund-ins-leben
- Toumba KJ, Twetman S, Splieth C et al. Guidelines on the use of fluoride for caries prevention in children: an updated EAPD policy document. European Archives of Paediatric Dentistry 2019, DOI: https://doi.org/10.1007/s40368-019-00464-2
- Netzwerks Gesund ins Leben . Infografik: Kariesprophylaxe mit Fluorid im Säuglings- und frühen Kindesalter. https://www.gesund-ins-leben.de/fileadmin/resources/files/PDFs/infografik_kariespravention.pdf
- EFSA NDA Panel. Scientific Opinion on Dietary Reference Values for Fluoride. EFSA Journal 2013; 11: 3332
- BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung). Für gesunde Zähne: Fluorid-Vorbeugung bei Säuglingen und Kleinkindern. Stellungnahme Nr. 015/2018 des BfR vom 31. Mai 2018. 2018, DOI: DOI 10.17590/20180531-085715-0