Um die Mundgesundheit von pflegebedürftigen Senioren ist es in Deutschland nicht gut bestellt: Im Vergleich zur gesamten Gruppe der älteren Senioren haben sie mehr Karies (24,5 vs. 21,6 DMF-Zähne), weniger eigene Zähne (22,4 vs. 17,8 fehlende Zähne) und sind häufiger völlig zahnlos (53,7 % zu 32,8 %) (3). Außerdem benötigen sie mehr Hilfe bei der Mundhygiene (29,8 % gegenüber 6,7 %). Durch die gestiegene Lebenserwartung wird es künftig noch mehr pflegebedürftige alte Menschen geben. Zwar werden die künftigen Senioren deutlich mehr eigene Zähne haben als die heutigen. Sich selbst um ihre Mundhygiene zu kümmern, werden jedoch viele von ihnen kaum noch können. In Pflegeeinrichtungen werden das oft die Pflegekräfte übernehmen.
Was bringt die Schulung von Pflegekräften?
Mehrfach wurde versucht, durch Schulungen von Pflegekräften die Mundgesundheit bei den betreuten Personen nachhaltig zu verbessern. Viele Studienergebnisse sind positiv (2, 4, 5), dennoch wird über eine Diskrepanz zwischen der allgemeinen Einstellung sowie dem eigenen mundgesundheitsbezogenen Verhalten von Pflegepersonal und der Mundgesundheitsversorgung der betreuten Personen berichtet (6). In einer Pilotstudie wurde überprüft, ob sich die Mundgesundheit bei betreuten Senioren verbessert, wenn das betreuende Personal durch Schulungen seine eigene Mundgesundheit positiv verändert (7). Dabei sollten Effekte auf die oralen Befunde der Heimbewohner auch unter dem Aspekt genereller Einstellungen des Pflegepersonals zur Beeinflussbarkeit von Gesundheit analysiert werden. Diese Einstellungen wurden mithilfe des weiterentwickelten Modells des Kohärenzempfindens („Sense of Coherence“, SOC) ermittelt (1, 8, 9). Der Fragegebogen SOC-13 mit einem maximal möglichen Wert von 91 wurde bereits in der DMS V verwendet. Dabei ergab sich, dass Menschen mit einem höheren Verantwortlichkeitsempfinden gegenüber der eigenen Gesundheit – also einem höheren SOC-Wert – bessere Zahnpflege betreiben, öfter zur zahnärztlichen Kontrolluntersuchung gehen und weniger kariöse Zahnflächen aufweisen (3).
Das wurde untersucht
Die hier vorgestellte Studie wurde an einer Altenpflegeeinrichtung im Kreis Pinneberg (Schleswig-Holstein) durchgeführt, die der Studienautor gut kannte (7). Die freiwillig teilnehmenden 15 Pflegekräfte und 30 Heimbewohner füllten im Vorwege einen Fragebogen zur allgemeinen und speziellen zahnmedizinischen Anamnese aus, das Pflegepersonal zusätzlich den SOC-13-Bogen. Alle Studienteilnehmer wurden mittels Präsentation, die auf dem an der Universität Hamburg gelehrten Mundhygienekonzept basierte, über Mundhygienemaßnahmen informiert. In einer Erstuntersuchung wurden der Kariesstatus (DMFT- und DMFS-Index) sowie der Approximalraum-Plaqueindex API und ein kategorisierter Papillenblutungs-Index (PBI, prozentualer Anteil blutender Papillen) erhoben. Im Anschluss erhielten alle Teilnehmenden zu ihrer oralen Situation passende Zahnputzhinweise und wurden praktisch angeleitet. Nach sechs Monaten folgte eine Kontrolluntersuchung. Die erhobenen Daten wurden statistisch ausgewertet.
Nicht alle Verbesserungen der Mundgesundheit signifikant
Das durchschnittliche Alter der Heimbewohner lag bei 83,5 (± 7,1) Jahren. Zehn Heimbewohner, die sich zur Teilnahme gemeldet hatten, waren zahnlos und konnten nicht weiter in die Auswertung einbezogen werden. Bei der Erstuntersuchung lag der Mittelwert des API unter den Heimbewohnern bei 85,8 %, bei der Nachuntersuchung bei 73,3 %. Der BPI-Mittelwert betrug bei der Erstuntersuchung 65,4 %, bei der Nachuntersuchung 56,7 % (Abb. 1). Allerdings waren diese Verbesserungen nicht signifikant (p > 0,05).
Das Durchschnittsalter der Pflegekräfte betrug 36,0 ± 11,8 Jahre. Zwischen Erst- und Nachuntersuchung sank der Mittelwert ihres API signifikant von 74,4 % auf 40,6 % (p = 0,019, Abb. 2). Auch der Mittelwert des kategorisierten PBI-Indexes reduzierte sich von 44,4 % auf 23,9 %, wobei diese Veränderung eine statistische Signifikanz knapp verfehlt (p = 0,070).
Der Mittelwert der SOC-13-Erhebung des Pflegepersonals betrug 60,1 ± 6,9 Punkte. Es war keinerlei Korrelation von SOC und den Mundgesundheitsindizes festzustellen. Schließlich wurden die Veränderungen der Indexwerte der Heimbewohner vor dem Hintergrund der SOC-Werte der Pflegekräfte analysiert. Hierfür wurden jedem Heimbewohner die gemittelten SOC-Werte der Pflegekräfte zugeordnet, die auf der von ihnen bewohnten Etage gearbeitet haben. Auch hier ergaben sich keinerlei Zusammenhänge des Kohärenzempfindens der Pflegekräfte zu den Veränderungen der Plaque- und Gingivitisbefunde bei den von ihnen betreuten Heimbewohner.
Gründe für den überschaubaren Erfolg
In die Information und Anleitung zur Mundhygiene wurde viel Mühe gelegt. Der Effekt bei den Bewohnern war allerdings überschaubar. Mit einem durchschnittlichen DMFT-Wert von 26,1 wiesen die Heimbewohner eine höhere Karieserfahrung auf als die 75- bis 100-jährigen Probanden mit Pflegebedarf aus der DMS V, die einen DMFT-Wert von 24,5 hatten (3). Plaque und Gingivitis stellten sich zu Studienbeginn als ausgeprägt dar. Die Werte waren zur Kontrolluntersuchung zwar deutlich geringer, aber nicht signifikant. Das hängt sicher auch mit der geringen Fallzahl zusammen. Gleichwohl wäre selbst bei signifikanter Verbesserung die klinische Bedeutung von API- und PBI-Endwerten von 73,3 % bzw. 56,6 % zu hinterfragen. Einige vergleichbare Studie in Deutschland konnte nach der Schulung von Pflegekräften deutlichere Verbesserungen der Plaque- und Gingivitisbefunde von pflegebedürftigen Heimbewohnern dokumentieren (2, 4).
Bei den Pflegekräften waren die intensiven Informations- und Schulungsmaßnahmen effektiver. Der Plaquebefund ließ sich signifikant verringern. Der Rückgang des Gingivitisindex verfehlte nur knapp das Signifikanzniveau – das sollte vor dem Hintergrund der kleinen Fallzahl nicht überbewertet werden. Der SOC-Mittelwert der Pflegekräfte liegt mit 60,1 ± 6,9 Punkten unter den Werten der Gesamtbevölkerung (65,2 ± 11,6 Punkte, (8)). Im Vergleich zu den im Rahmen der DMS V bei 35- bis 44-Jährigen ermittelten Werten von 68,0 (3) fällt der Unterschied noch deutlicher aus. Eine Interpretation dieses ausgerechnet bei Pflegepersonal schlechteren Kohärenzempfindens fällt schwer. Wenn jedoch zum Erreichen besserer oraler Gesundheit der gepflegten Menschen eine Schulung des Pflegepersonals unter Berücksichtigung ihrer individuellen Einstellungen angeraten wird (6), so dürfte der Erfolg nach der aktuellen Studie begrenzt sein.
Dass die Resultate bei den Heimbewohnern nicht mit den SOC-Werten der Pflegenden zusammenhängen, dürfte auch daran liegen, dass keine Eins-zu-Eins-Betreuung stattgefunden hat und daher auch Pflegekräfte an der Betreuung mitgewirkt haben, die nicht an der Studie teilgenommen haben. Dies entspricht aber neben Zeit- und Personalmangel den Alltagsbedingungen in der stationären Pflege, in der sich höheres Engagement einzelner Pflegekräfte mit weniger zugewandten Einstellungen mischt.
Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Literatur
- Antonovsky A (1987) Unraveling the mystery of health: How people manage stress and stay well. Jossey-Bass Publ., San Francisco
- Jäger S, Köster-Schmidt A, Schade M et al. (2009) Mundhygiene und Mundgesundheit bei Bewohnern von Altenpflegeheimen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 52:927-935
- Jordan R, Micheelis W (Gesamtbearbeitung) (2016) Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie. Deutscher Ärzte Verlag, Köln
- Klee AM (2013) Karies- und Parodontitiserfahrung bei institutionalisierten Bewohnern im städtischen und ländlichen Raum – Implementierung von Mundhygiene als Pflegeleistung In:
- Manojlovic S (2010) Mundgesundheit bei Bewohnern in Altenpflegeheimen in Grevenbroich. Med Diss, Düsseldorf
- Nitschke I, Majdani M, Sobotta BA et al. (2010) Dental care of frail older people and those caring for them. J Clin Nurs 19:1882-1890
- Schmidt S (2021) Die Auswirkung einer zahnmedizinischen Schulung von Mitarbeitern eines Altenpflegeheimes auf die Mundgesundheit der Heimbewohner. Med Diss, Hamburg
- Schumacher J, Wilz G, Grunzelmann T et al. (2000) Die Sense of Coherence Scale von Antonovsky – Teststatistische Überprüfung in einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe und Konstruktion einer Kurzskala. Psychother Psychosom Med Psychol. 50:472-482
- Singer S, Brähler E, Schumacher J (2007) Die „Sense of Coherence Scale“ : Testhandbuch zur deutschen Version. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen