Vor mehr als 100 Jahren wurde Lachgas für die Medizin und Zahnmedizin entdeckt – und dann in Deutschland wieder vergessen. Doch viele Menschen haben Angst vor der invasiven zahnärztlichen Behandlung mit „Bohrer, Spritze oder Zange“, vor allem Kinder. Mit der minimalen Sedierung durch Lachgas, die in deutschen und europäischen Empfehlungen befürwortet wird, lassen sich die Ängste für viele Patienten reduzieren und bei Kindern oder Menschen mit Behinderungen häufig auch Narkosesanierungen vermeiden.
Während die minimale Sedierung mit Lachgas in den anglo-amerikanischen Ländern durchgängig eine etablierte Methode zur Angstlösung war, gilt sie in Kontinentaleuropa erst seit gut zehn Jahren wieder als eine Standardtherapie. Mit den Empfehlungen des Council of European Dentists (1) im Jahr 2012 sowie der relevanten deutschen Fachgesellschaften einschließlich der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (2) existieren spätestens seit 2013 exzellente Beschreibungen, wie sich Lachgas sinnvoll zahnärztlich einsetzen lässt. Geregelt sind auch die notwendigen Schulungen und die Zertifizierung: Neben dem theoretischen Unterricht zur Pharmakologie von Lachgas, der Bedienung des Gerätes, einem Notfalltraining, den Grundlagen der Verhaltensführung und Konzepten zur Praxiseinbindung sind mindestens je fünf Hospitationen, Assistenzen und eigenständig durchgeführte Sedierungen vorgesehen.
Nach diesem Training können Zahnärzte auch als Nichtanästhesisten die minimale Sedierung mit Lachgas sicher und erfolgreich anwenden (3). Dies verpflichtet rechtlich zur Aufklärung dieser Therapiealternative, wenn die Indikationen gegeben sind. Die alleinige, informierte Zustimmung zu einer zahnärztlich veranlassten Narkose wird nicht mehr rechtssicher sein, wenn die Option der deutlich risikoärmeren Lachgassedierung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Dies unterstreichen eindrucksvoll aktuelle Publikationen über die sehr hohen Erfolgsraten auch bei kleinen Kindern und Überweisungspatienten mit Angst (4, 5).
Fallauswahl ist entscheidend
Lachgas wirkt gut sedierend und angstlösend, aber nur mäßig analgetisch. Das bedeutet: Für invasive Zahnbehandlungen ist in der Regel zusätzlich eine Lokalanästhesie erforderlich. Der sedierte Patient fühlt sich meist ruhig und entspannt, muss aber bereit sein, beim Aufsetzen der Maske und damit bei der Behandlung zu kooperieren (Abb. 1). Die Lachgassedierung eignet sich also primär für ängstliche, aber überzeugungsfähige Patienten mit überschaubarem Behandlungsumfang. Die verbale und nonverbale Kommunikation bleibt bei Konzentrationen bis 50 Prozent Lachgas erhalten, genau wie der Atem- und der Schluckreflex, während der Würgereiz früh verschwindet.
Lachgas hat eine geringe Löslichkeit in Blut und Fett. Dadurch tritt die Wirkung schnell ein und aus und die Sedierung lässt sich gut steuern. Die Interaktion mit den menschlichen Regelkreisläufen ist minimal und lediglich die Übersedierung kann zu Schwindel oder Übelkeit führen, was ein erfahrener Behandler früh erkennt und vermeidet. Dazu sind allerdings titrierbare Systeme notwendig. Sie ermöglichen die individuelle Regulierung der Lachgaskonzentration sowie die Gabe von 100-prozentigem Sauerstoff.

Abb. 1: Gerade invasive und insbesondere chirurgische Maßnahmen lösen vor allem bei Kindern Ängste aus. Durch die minimale Lachgassedierung lassen sich die Ängste gut reduzieren und viele Narkosen werden überflüssig. (Foto: C. Splieth)
Fazit
Die minimale Sedierung mit Lachgas ist eine deutliche Bereicherung in der zahnärztlichen Behandlung von ängstlichen Patienten und bei chirurgischen Maßnahmen. Sie erfordert jedoch ein geschlossenes Therapie- und Praxiskonzept und wird am besten mit einem dazu passenden Kariesmanagement einschließlich non- und minimalinvasiver Therapien kombiniert. Detaillierte Informationen zum Gesamtkonzept gibt es in der Neuauflage „Kinderzahnheilkunde in der Praxis“ (ab Januar 2024 erhältlich). Auch in der gleichnamigen Online-Fortbildung am 9. März 2024 werden die Lachgassedierung und ihre Anwendung ausführlich vorgestellt. Derzeit ist die Lachgassedierung leider noch nicht im GKV-Regelkatalog enthalten und muss daher privat liquidiert werden.
Prof. Christian H. Splieth, Universität Greifswald
Literatur
- Philippi-Höhne C, Daubländer M, Becke K, Reinhold P, Splieth CH, Beck G. Gemeinsame Stellungnahme: Einsatz von Lachgas zur minimalen Sedierung von Kindern in der Zahnheilkunde. Anästhesiologie & Intensivmedizin. 2013;54:323–32 bzw. https://www.dgzmk.de/documents/10165/2216111/Wiss_Mitt_Lachgassedierung_Kinder.pdf/3e83684f-f0b2-469c-8b91-264763ce5c25
- Council of European Dentists. Anwendung der inhalativen Lachgassedierung in der Zahnmedizin. Stomatologie. 2014;111(4-5):188-190.
- Hennequin, M., Collado, V., Faulks, D., Koscielny, S., Onody, P., Nicolas, E. (2012): A clinical trial of efficacy and safety of inhalation sedation with a 50% nitrous oxide/oxygen premix (Kalinox™) in general practice. in: Clin Oral Investig, 16, 2, S. 633–42.
- Mourad MS, Santamaria RM, Splieth CH, Schwahn C, Midani R, Schmoeckel J. Impact of operators’ experience and patients’ age on the success of nitrous oxide sedation for dental treatment in children. Europ J Paed Dent 2022;23(3):183–188.
- Mourad MS, Splieth CH, Al Masri A, Schmoeckel J. Potential for nitrous oxide sedation in pedodontics practice to reduce the need for dental general anesthesia. Quintessence Internat 1985). 2022;53(7):598–606.