Die Beziehung zwischen Sport und Gesundheit ist komplex und vielschichtig. Während sich die Forschung häufig auf die positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf das Herz-Kreislauf-System, das Muskel-Skelett-System und die psychische Gesundheit konzentriert (1, 2), bleibt ein Bereich oft unberücksichtigt: die Mundgesundheit. In einer Gesellschaft, in der Spitzensportler oft als Inbegriff physischer Perfektion gefeiert werden, wird selten darüber gesprochen, wie sich intensives Training auf die Mundgesundheit auswirkt.
Dieser Aspekt ist besonders relevant, da orale Erkrankungen wie Gingivitis und Karies bei Sportlern weit verbreitet sind und sich auf die allgemeine Gesundheit und Lebensqualität auswirken können (3, 4) . Dementsprechend kann auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein. Darüber hinaus sind insbesondere Ausdauersportler extremen körperlichen Belastungen ausgesetzt, die wiederum ein erhöhtes Risiko für Mundgesundheitsprobleme, vor allem orale Entzündungen, vermuten lassen.
Eine klinische Studie der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Leipzig in Kooperation mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) Leipzig untersuchte belastungsabhängige Veränderungen der Mundgesundheit von Elite-Ausdauersportlern (5). Die Forschenden hinterfragten die gängige Annahme, dass (Ausdauer-)Sportler im Vergleich zu Nichtsportlern eine schlechtere Mundgesundheit aufweisen, und bieten einen Perspektivwechsel hinsichtlich der Beziehung zwischen intensiver körperlicher Aktivität und oraler Entzündung.
Die klinische Untersuchung von 33 Biathleten und Skilangläufern umfasste den parodontalen Entzündungszustand und die Kollagenaseaktivität im Speichel – ein Marker für entzündliche Prozesse des Zahnhalteapparates – über die gesamte Saison, also von der Vorbereitung bis zum Saisonhöhepunkt. Die Ergebnisse überraschten: Trotz vergleichbarer Mundgesundheit zu Studienbeginn wiesen die Ausdauersportler mit zunehmender körperlicher Belastung bis zum Saisonhöhepunkt geringere parodontale Entzündungszeichen auf als die nicht sportlich aktiven Kontrollpersonen. Zudem veränderte sich die Kollagenaseaktivität im Speichel der Athleten im Saisonverlauf nicht – der parodontale Gewebeabbau nahm also nicht zu.
Diese Ergebnisse widersprechen der Vermutung, dass bei intensivem körperlichen Stress stets die oralen Entzündungszeichen zunehmen. Das lässt Raum für einen Perspektivwechsel: Es ist anzunehmen, dass Spitzenausdauersportler durch ihr langjähriges intensives Training über ein physiologisch adaptiertes Immunsystem mit ausgeprägter Immunkompetenz verfügen. Daher besteht eine immunologische Stabilität, die mit einer verminderten Entzündungsbereitschaft einhergeht. Diese Überlegung könnte das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Sport und Mundgesundheit, insbesondere entzündlicher Erkrankungen des Zahnhalteapparates wie Gingivitis und Parodontitis, grundlegend verändern. Die Studie der Leipziger Forschenden unterstreicht, wie wichtig es ist, die Mundgesundheit und deren Prävention fest in die sportmedizinische Betreuung von Spitzensportlern zu integrieren.
Dr. Theresa Antonia Rott, Univ.-Prof. Dr. Rainer Haak, Dr. Jan Wüstenfeld, Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Universität Leipzig
Literatur
- Penedo, F.J.; Dahn, J.R. Exercise and well-being: a review of mental and physical health benefits associated with physical activity. Curr. Opin. Psychiatry 2005, 18, 189–193, doi:10.1097/00001504-200503000-00013.
- Kramer, A. An Overview of the Beneficial Effects of Exercise on Health and Performance. Adv. Exp. Med. Biol. 2020, 1228, 3–22, doi:10.1007/978-981-15-1792-1_1.
- Needleman, I.; Ashley, P.; Petrie, A.; Fortune, F.; Turner, W.; Jones, J.; Niggli, J.; Engebretsen, L.; Budgett, R.; Donos, N.; et al. Oral health and impact on performance of athletes participating in the London 2012 Olympic Games: a cross-sectional study. Br. J. Sports Med. 2013, 47, 1054–1058, doi:10.1136/bjsports-2013-092891.
- Ashley, P.; Di Iorio, A.; Cole, E.; Tanday, A.; Needleman, I. Oral health of elite athletes and association with performance: a systematic review. Br. J. Sports Med. 2015, 49, 14–19, doi:10.1136/bjsports-2014-093617.
- Rott, T.A., Merle, C.L., Schmalz, G., Haak, R., Wolfarth, B., Wüstenfeld, J., Ziebolz, D. Gingivale Inflammation und Kollagenaseaktivität bei Ausdauerleistungssportlern im Saisonverlauf. Leipzig, October 6, 2023, DG PARO Jahrestagung, Leipzig.