Eine Versiegelung mit Komposit und Glasionomer verringert deutlich die Hypersensibilität von Zähnen mit Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH). Das ergab eine Studie der Medizinischen Universität Wien mit Kindern. Auch die Einschränkungen in der Lebensqualität ließen sich dadurch spürbar verringern.
Das weltweite Auftreten der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation spielt in der zahnärztlichen Praxis mittlerweile eine nicht zu unterschätzende Rolle (1). Die Ätiologie der MIH ist noch weitgehend ungeklärt (2). Charakteristisch sind abgegrenzte Opazitäten an den ersten bleibenden Molaren mit oder ohne Beteiligung der Inzisiven. Die hypomineralisierten Zähne erscheinen porös, ihr Schmelz kann teilweise einbrechen und es können starke Hypersensibilitäten auftreten.
Einige Kinder berichten bereits mit dem beginnenden Durchbruch vor allem der Molaren von mehr oder weniger starken chronischen Schmerzen. Der Grund für die Schmerzen liegt wahrscheinlich in einer Penetration oraler Bakterien durch den hypomineralisierten Schmelz in die Dentinkanälchen, sodass Entzündungsreaktionen in der Pulpa hervorgerufen werden können (3). Dies scheint auch bei Zähnen mit intakten Oberflächen möglich und hat zur Konsequenz, dass auch von MIH betroffene Zähne ohne Schmelzeinbruch klinisch gut untersucht und regelmäßig kontrolliert werden müssen.
Hypersensible Zähne führen zu starken Beeinträchtigungen
Daten zur Prävalenz von Hypersensibilitäten bei MIH sind kaum vorhanden. Raposo et al. (4) fanden in ihren Untersuchungen 34,7 Prozent der MIH-Molaren mit Hypersensibilität vor. Dabei trat die Überempfindlichkeit vor allem bei mittelmäßig stark (55 Prozent) und bereits stärker geschädigten Zähnen (51,6 Prozent) auf. Für betroffene Kinder sind hypersensible Zähne partiell mit starken Beeinträchtigungen verbunden. So führen Schmerzen an MIH-Zähnen häufig zu erheblichen Einschränkungen bei der Mundhygiene, zu Problemen bei der Aufnahme von kalter und warmer Nahrung, chronifizierten Schmerz-Angst-Zuständen und damit gleichzeitig zu einer deutlich limitierten Kooperationsbereitschaft beim Zahnarzt.
Kürzlich publizierte Daten belegen, dass Versiegelungen von hypersensiblen MIH-Molaren neben den klassischen Aufgaben der Kariesprävention oder der Arretierung von nicht kavitierten kariösen Läsionen einen weiteren wichtigen Effekt haben: Sie reduzieren die Überempfindlichkeiten an diesen Zähnen signifikant.
Versiegelung reduziert deutlich die Hypersensibilität und steigert die Lebensqualität
Eine Forschungsgruppe um Prof. Katrin Bekes von der Medizinischen Universität in Wien untersuchte in einer multizentrischen Studie, wie wirksam und schnell eine Versiegelung die Hypersensibilitäten bei MIH-betroffenen Molaren reduziert (5, 6). In die Studie wurden 39 Kinder mit zwei MIH-betroffenen Molaren, die eine Hypersensibilität und keine Schmelzeinbrüche aufwiesen, eingeschlossen. Beide Zähne wurden dann im Split-Mouth-Design entweder mit einem Kompositversiegler (Clinpro Sealant in Kombination mit Scotchbond Universal) oder einem Glasionomerzement (Ketac Universal) versiegelt. Vor und sofort nach der Behandlung sowie eine Woche, vier, acht und zwölf Wochen später wurde die Stärke der Schmerzen mittels Schiff-Score (SCASS; 0-3) und mit der Wong Baker Faces Scale (WBFS; 0-10) bestimmt. 38 Kinder schlossen alle Phasen der Studie ab.
Unabhängig vom verwendeten Material verringerte sich die Hypersensibilität durch das Auftragen des Versieglers sowohl sofort als auch während der zwölfwöchigen Nachuntersuchungen signifikant. Bei keinem der ausgewerteten Zeitpunkte fand sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden gewählten Materialien. Demnach bieten beide Versiegelungsmaterialien eine Möglichkeit, Hypersensibilitäten sofort und über mindestens zwölf Wochen erfolgreich zu reduzieren.
Dies zeigte sich zudem auch in der Selbstwahrnehmung der Patienten – gemessen anhand der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die vor Beginn der Behandlung berichteten Einschränkungen in der Lebensqualität – insbesondere Häufigkeit von Schmerzen und der Einschränkung bei der Nahrungsaufnahme – konnten mit der Applikation der Versiegelungen deutlich gemildert werden.
Prof. Dr. Katrin Bekes, Medizinische Universität Wien
Literatur
- Weerheijm KL, Jalevik B, Alaluusua S: Molar-incisor hypomineralisation. Caries Res 2001; 35: 390-391.
- Bussaneli DG, Vieira AR, Santos-Pinto L, Restrepo M: Molar-incisor hypomineralisation: an updated view for aetiology 20 years later. Eur Arch Paediatr Dent 2021 Aug 15. doi: 10.1007/s40368-021-00659-6. Online ahead of print.
- Fagrell TG, Lingstrom P, Olsson S, Steiniger F, Noren JG. Bacterial invasion of dentinal tubules beneath apparently intact but hypomineralized enamel in molar teeth with molar incisor hypomineralization. Int J Paediatr Dent. 2008;18(5):333-40.
- Raposo F, de Carvalho Rodrigues AC, Lia EN, Leal SC. Prevalence of Hypersensitivity in Teeth Affected by Molar-Incisor Hypomineralization (MIH). Caries Res. 2019;53(4):424-30.
- Bekes K, Amend S, Priller J, Zamek C , Stamm T, Krämer N: Hypersensitivity relief of MIH-affected molars using two sealing techniques: a 12-week follow-up. Clin Oral Investig 2021 Sep 1. doi: 10.1007/s00784-021-04163-5. Online ahead of print.
- Bekes K, Amend S, Priller J, Zamek C , Stamm T, Krämer N: Changes in oral health-related quality of life after treatment of hypersensitive molar incisor hypomineralization-affected molars with a sealing. Clin Oral Investig 2021 Apr 20. doi: 10.1007/s00784-021-03947-z. Online ahead of print.