Wie stark Kompositen bei der Polymerisation schrumpfen und wie viel Schrumpfungsspannung dabei entsteht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So spielen neben Größe und Form der Kavität auch das Substrat sowie die Haftbedingungen und die Applikations- und Aushärtungsmethoden eine Rolle.
Bei der Polymerisation schrumpfen Komposite je nach Art und Füllkörpergehalt um etwa 2–6 Vol%. Dadurch entstehen bei einer Füllung Schrumpfungsspannungen, die den adhäsiven Verbund zum Zahn belasten und partiell zu Debonding führen können (1, 2). Negative Folgen der Polymerisationsschrumpfung sind oft Randspalten mit nachfolgender Randverfärbung und Sekundärkariesbildung, Ablösung des Komposites vom Kavitätenboden und Hypersensitivität auf Be- und Entlastung sowie Höckerverwindungen und Schmelzrisse (3).
Um diese negativen Auswirkungen zu verringern, wurden vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren in guter Absicht manche Empfehlungen gegeben, die heute teils als überholt und nicht korrekt eingestuft werden. So wurde beispielsweise postuliert, dass das Komposit immer zur Lichtquelle hin schrumpfen würde, weil die dem Licht zugewandte Oberfläche zuerst gehärtet würde. In der Realität ist aber bei einer Füllung ein Großteil der Oberfläche nicht frei, sondern an Zahnhartsubstanz gebunden und somit nicht frei beweglich. Die sogenannten Lichtkeile, die bei einer Klasse-II-Kavität empfohlen wurden, sollten das Licht zuerst approximal-zervikal einleiten und so die Schrumpfung des Komposites zum Füllungsrand hin ausrichten (4, 5). Dieser Effekt trat aber nicht so ein. Zum einen war die Lichtdosis via Lichtkeile dort sehr gering, sodass keine ausreichende Polymerisation initiiert werden konnte. Zum anderen waren weitere Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Die Einflussfaktoren auf die Polymerisationsschrumpfung und den Polymerisationsstress (Spannungsbildung) können in vier Hauptgruppen unterteilt werden:
- Die Kavitätenart (Größe, Form, C-Faktor)
- Das Substrat (Zahn: Schmelz, Dentin; dentale Werkstoffe wie Komposite und Keramiken bei Reparaturen)
- Die Haftbedingungen und die Konditionierung
- Die Applikations- und Aushärtungsmethoden
Während die ersten beiden Punkte in der Regel situationsgegeben und wenig veränderbar sind, kann der Behandler vor allem über die letzten beiden Punkte die Polymerisationsschrumpfung durchaus erheblich beeinflussen (6).
Die Größe der Kavität bzw. das Volumen des Komposites spielt dabei eine erhebliche Rolle (7). Mittels markierten Füllkörpern lassen sich seit wenigen Jahren im Mikro-CT die Schrumpfungen/Bewegungen lokalisiert hochauflösend und dreidimensional beobachten und nachvollziehen (7–11) (Abb. 1).
Auch die Kavitätenform beeinflusst maßgeblich die Schrumpfungsrichtung (12). Abbildung 2 zeigt eine Ebene der Mikro-CT-Aufnahme und ist nur ein Querschnitt einer dreidimensionalen Datenmenge. Die Spitzen der Schrumpfungsvektoren (rote Dreiecke) zeigen die jeweilige Richtung der maximalen Bewegung an. In Abbildung 2a ist die Schrumpfungsrichtung im Kavitätenbodenbereich klar nach oben orientiert. Dies liegt vor allem an einer starken Haftung am oberen Schmelzrand sowie dem größeren Kompositvolumen im unteren Bereich der Füllung. In Abbildung 2b ist die Schrumpfung im oberen Kavitätenbereich nach unten zum Zentrum hin gerichtet. Im unteren Bereich ist die Schrumpfung geringer und nach oben gerichtet. Das geringere Kompositvolumen im unteren Bereich und die größere freie Kompositoberfläche im Vergleich zum Kavitätenboden beeinflussen die Richtung.
Weiterhin beeinflusst das Substrat (Schmelz, Dentin, Keramik etc.) signifikant die Schrumpfungsrichtung (9, 13) (Abb. 3 und 4).
Wie sieht es bei Einsatz von Bulkfill-Kompositen und zwei Inkrementen (Schichten) in einer mehrflächigen Kavität aus? Das zeigen die Abbildungen 5 und 6. In der ersten dünnen Schicht verläuft die Schrumpfung in Richtung Kavitätenboden und entlastet dadurch den Verbund zum Zahn (Abb. 5a). Die Schrumpfung in der zweiten dicken Schicht geht weg von der Matrizenseite – der sogenannten freien Oberfläche – in Richtung Zentrum (günstig) (14).
Die Hauptschrumpfung in der ersten dicken Schicht geht klar in Richtung Kavitätenboden, also zur gebundenen Oberfläche (Abb. 6a). Da sich das Komposit bei der Schrumpfung zum Zahn hin bewegen kann, lassen sich die Spannungen erheblich reduzieren und der Verbund zum Zahn wird weniger belastet. In der zweiten (Deck-)Schicht sind nur noch wenige Bewegungen weg von der freien Oberfläche erkennbar (14) (Abb. 6b). Die großen Bewegungen in der ersten Schicht sind vor allem durch eine lange Gelzeit des Flowable Komposits verursacht, das zum Spannungsabbau in der Füllung führt (15, 16).
Hochgefüllte Komposite weisen generell weniger Volumenschrumpfung auf als niedrig gefüllte (flowable) Komposite. Die Größe der Schrumpfungsbewegung hängt auch stark von den verwendeten Produkten ab, die sich beispielsweise in Füllkörpergehalt, den E-Modulwerten, Länge der Gelphase und Polymerisationsgrad erheblich unterscheiden (15, 17).
Zusammenfassung
- Die Art und Zusammensetzung sowie das Volumen des Komposits beeinflussen die Schrumpfung.
- Durch eine längere Gelzeit und einen niedrigen E-Modulwert entstehen weniger Schrumpfungsspannungen und die Haftung bzw. der Randschluss verbessert sich (16).
- Die Vektoren (rote Dreiecke in den Abbildungen) stellen lediglich die Bewegung der Schrumpfung dar und sagen noch nichts über die Höhe der Spannungen im Komposit oder im adhäsiven Verbundbereich aus. Durch eine Bewegung im Komposit vor dem Gelpunkt bei der Polymerisation können Schrumpfungsspannungen reduziert werden (positive Auswirkung). Eine Bewegung nach dem Gelpunkt entsteht in der Regel durch Debonding am Kavitätenboden oder Füllungsrand, also den Kavitätenwänden (negative Auswirkung) (15).
- Das Einbringen des Komposits in Inkrementen führt generell zu kleineren Schrumpfungsvektoren, was für den adhäsiven Verbund vorteilhaft ist (14, 15, 17, 18).
- Der dauerhafte Verbund und der Randschluss werden auch durch eine kontaminationsfreie Oberfläche und eine gute Benetzung des Adhäsivs verbessert. Nach Anwendung blutstillender Mittel ist deshalb für eine gute Haftung die Phosphorsäure-Ätzung der Zahnhartsubstanz besser als nur ein Self-etch-Adhäsiv (19). Substanzschonende Kariesexkavation pulpanah (Polymerbohrer) beeinträchtigt die Haftung nicht signifikant (20).
Prof. Reinhard Hickel, Universität München
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