Im Hinblick auf Zahnerosionen wird seit Jahren kontrovers diskutiert, ob die Zähne erst einige Zeit nach Säurekontakt geputzt werden sollten. So könnten eventuell Mineralien aus dem Speichel ein Wiedererhärten der erweichten Oberfläche ermöglichen und somit den Abtrag erodierter Zahnhartsubstanz reduzieren. Doch eindeutige Belege dafür fehlen noch.
Erosionen sind säurebedingte Zahnhartsubstanzverluste, die durch direkte exogene (äußere) oder endogene (innere) Säureeinwirkung auf die Zahnoberfläche ausgelöst werden. Exogene Erosionen entstehen zumeist durch saure Getränke und Nahrungsmittel. Endogen induzierte Säuredefekte sind bei Erkrankungen zu beobachten, die mit dem häufigen Auftreten von Magensäure in der Mundhöhle einhergehen, zum Beispiel Reflux oder Bulimie. Bei regelmäßigem Einwirken von Säuren mit niedrigem pH-Wert erweicht die Zahnoberfläche, die dann durch mechanische Belastung, etwa Kauen, Knirschen oder Zähneputzen, weiter geschädigt werden kann.
Eine kürzlich veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit untersuchte nun den Effekt des verzögerten Zähneputzens auf Erosionen. Nach einer intensiven Literaturrecherche erfüllten nur zwölf Studien die Einschlusskriterien, allerdings variierten das Design und die Methoden der eingeschlossenen Studien deutlich.
Das Ergebnis der Metaanalyse: Humaner Schmelz zeigte keine Unterschiede zwischen Zähneputzen unmittelbar nach Säurekontakt und verzögertem Zähneputzen. Allerdings führte die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta zu deutlich weniger Abrieb als nicht-fluoridierte Zahnpasta. Prüfkörper aus bovinem Schmelz wiesen hingegen weniger Abrieb auf, wenn nach der Säureeinwirkung mit dem Zähneputzen gewartet wurde. Nur drei Studien untersuchten den Effekt des verzögerten Zähneputzens nach Säureeinwirkung auf bovinem Dentin, wobei sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen dem verzögerten und dem direkten Zähneputzen nach Säurekontakt zeigten.
Aufgrund der methodischen Unterschiede der eingeschlossenen Studien kann die Frage, ob sich verzögertes Zähneputzen auf die Entwicklung säurebedingter Zahnschäden auswirkt, nicht abschließend beantwortet werden. Dafür bedarf es weiterer Untersuchungen, insbesondere klinischer Studien. Da es bei der mechanischen Plaqueentfernung weniger auf den genauen Zeitpunkt und mehr auf eine regelmäßige und gründliche Entfernung der Beläge ankommt, kann für Risikopatienten möglicherweise auch empfohlen werden, die Zähne vor dem Säurekontakt zu putzen.
Prof. Annette Wiegand, Universität Göttingen
Quelle:
Hong DW, Lin XJ, Wiegand A, Yu H: Does delayed toothbrushing after the consumption of erosive foodstuffs or beverages decrease erosive tooth wear? A systematic review and meta-analysis. Clinical Oral Investigations 2020, 24: 4169-4183