Die Tage von Amalgam in der Zahnmedizin sind gezählt – so ist es in der UN-Minamata Convention zu Quecksilber und der Quecksilberverordnung der EU festgehalten. Das Bundesgesundheitsministerium forderte bereits vor Jahren, dass nach Ende der Amalgamanwendung Zahnärzte den GKV-Patienten eine andere akzeptable Lösung ohne Zuzahlung anbieten müssen. Da dies mit Komposit-Schichttechnik bei der jetzigen Vergütung wirtschaftlich nicht möglich ist, sind Alternativen gefragt. Dabei kommt es vor allem auf eine einfache Handhabung und akzeptable Lebensdauer an (3).
Neuere Produkte und Klassifikationen
Mit Glashybrid (Equia Forte), Komposithybrid (Surefil One), ionenfreisetzendem Alkasite-Komposit (Cention forte), selbstadhäsivem Komposit (Constic) und den vielen lichthärtenden Bulkfill-Kompositen (inkl. Fast Curing Powerfill) sind zahlreiche Produkte verfügbar. Bei vielen von ihnen warten wir allerdings noch auf klinische Daten, die zeigen, wie sie sich am Patienten bewähren. Die neueren Alternativen basieren meist auf Weiterentwicklungen von Glasionomerzementen (GIZ) und Kompositkunststoffen bzw. deren Kombinationen. Die Produkte unterscheiden sich vor allem bei Aspekten wie Aushärtungsart, Adhäsion (selbstadhäsiv oder Adhäsiv nötig), Fraktur- und Abrasionsfestigkeit sowie Ionenfreisetzung/Remineralisation (Abb. 1).
Die primäre Klassifikation erfolgt anhand der Aushärtungsart. Herkömmliche Kompositkunststoffe weisen bei der Aushärtung eine radikalische Polymerisation auf. Dies trifft für Komposite in Schichttechnik genauso zu wie für sogenannte Bulkfill-Komposite, die in größeren Volumina von mindestens 4 mm Tiefe ausgehärtet werden können. Demgegenüber härten Glasionomerzemente mittels einer Säure-Base-Reaktion aus, dazu benötigt man stets Wasser. Ein Material, das nicht angemischt werden muss, kann kein GIZ sein. Neben den ersten, sogenannten konventionellen Füllungs-GIZ wie Ketac Fil wurden für den Seitenzahnbereich auch hochvisköse GIZ (z. B. Ketac Molar oder Fuji IX) entwickelt, deren Frakturfestigkeit die von Kompositen aber nicht erreichte.
Das Glashybrid Equia Forte (Fa. GC) basiert auf einer Technologie mit kleineren reaktiven Füllkörpern sowie Polyacrylsäure mit höherem Molekulargewicht. Es gehört eindeutig noch zu den GIZ, setzt aber wesentlich mehr Fluorid frei als andere hochvisköse GIZ (15).
Als kunststoffmodifizierter GIZ gilt Activa Bioactive (Fa. Pulpdent). Laut Herstellerangaben sollte das Material ohne Adhäsiv in die Kavität eingebracht werden. Die Freisetzung von Ionen soll dann eine gewisse Remineralisation der Zahnhartsubstanz bewirken. In einer ersten klinischen Studie in Skandinavien (15) lag die Verlustquote aber bereits nach einem Jahr bei 24,1 Prozent. Mittlerweile empfiehlt der Hersteller, zusätzlich ein Adhäsiv zu verwenden – das behindert dann allerdings den direkten Ionenaustausch mit der Zahnhartsubstanz. Um die Verwendung des Begriffes „bioaktiv“ zu vereinheitlichen und die teils irreführenden Werbeaussagen aufzulösen, hat die FDI World Dental Federation im Herbst 2022 ein Policy Statement mit Beschreibung des Begriffes „Bioaktive Restaurationsmaterialien“ herausgegeben (13).
Das selbstadhäsive Komposithybrid Surefil One (Fa. DentsplySirona), das ohne Anätzen/Adhäsiv appliziert werden kann, ist ebenfalls zwischen GIZ und Komposit einzuordnen. Zusätzliche Lichthärtung verringert die Frakturgefahr (2). Die Biegefestigkeit liegt bei 61,9 MPa und damit signifikant höher als bei GIZ, aber signifikant niedriger als bei Cention Forte (6).
Cention Forte (Fa. IvoclarVivadent) ist eindeutig den Kompositkunststoffen zuzuordnen (5). Die optionale Lichthärtung sowie die Verwendung eines Adhäsivs ist unbedingt anzuraten, sonst drohen höhere Verluste. Im Unterschied zu herkömmlichen Kompositen setzt Cention mittels spezieller alkalischer Füllkörper Calcium- und Phosphat-Ionen frei, wenn der pH-Wert sinkt – und das auch stärker als Activa Bioactive oder das Giomer Beautifil II (12). Lediglich GIZ (Fuji II LC) zeigte in einer In-vitro-Studie eine noch bessere Kariesinhibition (4). Die Biegefestigkeit von Cention Forte ist mit 110-115 MPa praktisch identisch mit dem Seitenzahnkomposit Tetric Evoceram (5, 8).
Bereits vor mehreren Jahren wurden sogenannte selbstadhäsive Komposite eingeführt, bei denen weder Ätzen mit Phosphorsäure noch Adhäsive nötig sind. Die ersten Produkte waren Vertise flow (Fa. Kerr) und Fusio liquid dentin (Fa. Pentron), die spezielle adhäsive Monomere wie z. B. GPDM oder 4-META enthielten. Das Monomer GPDM bildet Phosphatester, die anfällig für Hydrolyse sind. Die klinischen Ergebnisse mit diesen allerersten Produkten waren daher auch enttäuschend: eine Verlustquote von 67 Prozent in Klasse V (1) und signifikant mehr Randspalten (10). Beim neueren Produkt Constic (Fa. DMG), das 10-MDP enthält, entstanden dagegen nach zwei Jahren keine Füllungsverluste (11).
Das Bulkfill-Komposit Tetric Powerfill kann mit einer starken Polymerisationslampe (Bluephase Powercure mit 3.000 mW/cm²) innerhalb von nur 3 Sekunden 4 mm tief ausgehärtet werden. Nach Ilie et al. (7) sowie Marovic (9) ergaben sich in vitro bei der Konversionsrate keine Unterschiede zwischen 3 und 10 Sekunden – allerdings sind noch keine klinischen Studien publiziert.
Klinische Parameter und Lebensdauer
Die Auswahl eines geeigneten Materials hängt von vielen Faktoren ab: etwa der Lokalisation und Größe der Kavität, der okklusalen Belastung, den Möglichkeiten der Trockenlegung sowie vom Alter und weiteren Risikofaktoren des Patienten (z. B. Karies, Erosion, Bruxismus, Allgemeinerkankungen, Compliance), aber auch seinen Ansprüchen. Diese variierenden Konditionen führen auch zu unterschiedlicher Lebensdauer von Restaurationen. So ist bekannt, dass Füllungen bei Kindern und Senioren kürzer überleben als bei Jugendlichen und Erwachsenen bis 70 Jahren (8, 14). Die Bedingungen bei alten, multimorbiden Patienten sind oft schwierig. Bei fortgeschrittener Demenz ist auch die Mitarbeit des Patienten oft extrem eingeschränkt. Hier sind Materialien mit wenigen Schritten und kurzen Applikationszeiten oft die bessere Wahl. Andererseits haben bei größeren Kavitäten und hoher okklusaler Belastung die mechanischen Festigkeiten der Werkstoffe größere Bedeutung.
Klinische Studien zu den neueren Füllungsmaterialien mit einer Beobachtungsdauer von mindestens fünf Jahren liegen nur für einige Bulkfill-Komposite sowie für das Glashybrid Equia Fil vor. Letzteres zeigt in kleineren Kavitäten nach bis zu zehn Jahren noch akzeptable Ergebnisse, während in größeren Klasse-II-Defekten wesentlich mehr Frakturen auftraten. Zu einigen Bulkfill-Kompositen, wie SDR plus, QuiXfil sowie Tetric Evoceram Bulkfill gibt es sehr positive Ergebnisse nach sechs bzw. zehn Jahren. In den vergangenen drei Jahren wurden vier „Systematic reviews“ mit Metanalysen publiziert: Alle kamen zum Ergebnis, dass die publizierten Erfolgsquoten von Bulkfill-Kompositen mit denen von Komposit in Schichttechnik vergleichbar sind.
Schlussfolgerung
Es ist vorteilhaft, wenn der Zahnarzt dem Patienten je nach Indikation sowie seinen Ansprüchen verschiedene Materialien anbieten kann. Bei der Auswahl müssen die jeweiligen individuellen Gegebenheiten wie die Kavitätengröße einbezogen werden. Und letztendlich darf man nicht vergessen: Auch der Patient ist mit seiner Mundhygiene und Ernährung entscheidend für die Lebensdauer seiner Füllungen mit verantwortlich.
Prof. Reinhard Hickel, Universitätsklinikum LMU München
Literatur
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- Frankenberger R, Marie-Christine Dudek, Julia Winter, Andreas Braun, Norbert Krämer, Manja von Stein-Lausnitz, Matthias J Roggendorf: Amalgam Alternatives Critically Evaluated: Effect of Long-term Thermomechanical Loading on Marginal Quality, Wear, and Fracture Behavior. J Adhes Dent 2020;22(1):107-116.
- Hickel R Amalgam Phase down – und was kommt danach? BZB 9 2022: 57-61
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- Ilie N: Comparative Effect of Self- or Dual-Curing on Polymerization Kinetics and Mechanical Properties in a Novel, Dental-Resin-Based Composite with Alkaline Filler. Running Title: Resin-Composites with Alkaline Fillers. Materials (Basel) 2018, 11, 108.
- Ilie N: Fracture and viscoelastic behavior of novel self-adhesive materials for simplified restoration concepts. J Mech Behav Biomed Mater 2022 Jan;125: 104970.
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- Marovic D, Par M, Crnadak A, Sekelja A, Negovetic Mandic V, Gamulin O, Rakić M, Tarle Z: Rapid 3 s Curing – What Happens in Deep Layers of New Bulk-Fill Composites? Materials (Basel) 2021 Jan 21;14(3): 515.
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- van Dijken J , Pallesen U, Benetti A: A randomized controlled evaluation of posterior resin restorations of an altered resin modified glass-ionomer cement with claimed bioactivity. Dent Mater 2019 Feb;35(2):335-343.