In den vergangenen Jahren ist bei Kindern und Jugendlichen das zahnmedizinische Krankheitsbild der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) verstärkt in den Fokus geraten. Im Volksmund werden die betroffenen Zähne auch Kreidezähne genannt. Eine Studie der Universitätszahnklinik Wien hat untersucht, welche möglichen Faktoren für ihre Entstehung in Frage kommen.
Bei der MIH handelt sich um eine systemisch bedingte Hypomineralisation des Schmelzes bei 1 bis 4 ersten bleibenden Molaren. Zusätzlich können Schneidezähne betroffen sein (1). Klinisch zeigen Kreidezähne weiße, gelbe oder bräunliche Opazitäten, die bei den Molaren auf einzelne Bereiche beschränkt sein können, das Fissurenrelief einbeziehen oder sich über die gesamte Glattfläche erstrecken. Frontzähne weisen die Hypomineralisation in der Regel bukkal auf. Bei milden Formen sind die Zähne lediglich verfärbt. Eine schwere MIH dagegen geht mit Schmelzeinbrüchen und eventuell starken Hypersensibilitäten einher – insbesondere die Kombination aus beidem kann sowohl die Mundhygiene als auch die Behandlungsfähigkeit der Kinder einschränken.
Multifaktorielles Geschehen vermutet
Die möglichen Ursachen beschäftigen die Forschung (2). Da die Amelogenese von Molaren und Inzisiven gleichzeitig abläuft, wird angenommen, dass die Entwicklungsstörung zwischen dem 8. Schwangerschaftsmonat und dem 4. Lebensjahr auftritt. Nach aktuellen Analysen handelt es sich offenbar um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem perinatale (Hypoxie, Kaiserschnitt und Frühgeburt) und postnatale Faktoren (Masern, Harnwegsinfektionen, Bronchitis, Mittelohrentzündung, Magen-Darm-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, Lungenentzündung und Asthma) mit der Ätiologie der MIH verknüpft sind (2).
Eine Forschungsgruppe der Universitätszahnklinik Wien ist nun in einer Studie mit 6- bis 12-jährigen Kindern ebenfalls den Entstehungsfaktoren nachgegangen (3). Bei 100 Kindern war eine MIH diagnostiziert worden, 100 weitere Kinder waren gesund. Die Eltern der Kinder füllten einen Fragebogen zu möglichen ätiologischen Faktoren in der pränatalen, perinatalen und postnatalen Phase aus. Dabei wurden Informationen über die Schwangerschaft, die Geburt und die Entbindungsmethoden sowie über Kinderkrankheiten und die Einnahme von Medikamenten oder beobachtete Ereignisse gesammelt.
Bei Kaiserschnittentbindung entsteht häufiger MIH
Die Auswertung ergab, dass eine Kaiserschnittentbindung und das Drei-Tage-Fieber die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer MIH erhöhte. Dies steht in Einklang mit der internationalen Literatur. Interessanterweise konnte in Wien jedoch nur das Drei-Tage-Fieber als Faktor manifest gemacht werden und keine anderen Infektionserkrankungen, die in der Literatur beschrieben werden. Die Ergebnisse könnten jedoch verzerrt sein: Viele Eltern können ein Drei-Tage-Fieber, das durch das Herpesvirus verursacht wird, nicht von einer gewöhnlichen Infektion mit Fieber unterscheiden. Zudem begleitet hohes Fieber viele Atemwegsinfektionen, die ebenfalls das Entstehen einer MIH begünstigen können.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass an den Ursachen der MIH weiter geforscht werden muss. Dafür sollte die MIH insbesondere in Geburtskohortenstudien eingebunden werden. Denn nur mit der Erforschung der Ursachen wird es möglich sein, kausal ausgerichtete Präventionsstrategien zu etablieren.
Prof. Dr. Katrin Bekes, Medizinische Universität Wien
Literatur
- Weerheijm KL, Jalevik B, Alaluusua S. Molar-incisor hypomineralisation. Caries Res 2001;35:390-1.
- Garot E, Rouas P, Somani C, Taylor GD, Wong F, Lygidakis NA. An update of the aetiological factors involved in molar incisor hypomineralisation (MIH): a systematic review and meta-analysis. Eur Arch Paediatr Dent 2022;23:23-38.
- Altner S, Milutinovic I, Bekes K: Possible Etiological Factors for the Development of Molar Incisor Hypomineralization (MIH) in Austrian Children. Dent J 2024; 12, 44.