Es gibt überzeugende Hinweise darauf, dass SDF (Silberdiaminfluorid) wirksam ist, um Defekte bei frühkindlicher Karies, Wurzelkaries und möglicherweise auch bei nicht-kavitierter Approximalkaries zu stoppen. Es scheint daher an der Zeit, den Einsatz von SDF zur Kariestherapie auch in Deutschland als realistische Therapiealternative zu betrachten. Denn zum einen wirkt die Fluoridkomponente remineralisierend und zum anderen verhindert die antimikrobielle Silberwirkung weitere Demineralisation. Davon dürften gerade Patienten mit Mundhygieneproblemen profitieren (Abb. 1).

Abb. 1: Die Applikation von Silber(diamin)fluorid auf manifeste kariöse Läsionen ist extrem einfach und daher bei Patienten, die nur eingeschränkt mitarbeiten können, ein wirksamer, erster Therapieschritt (a, 3-jähriges Kind), um die Läsion zu inaktivieren. Da SDF eine Schwarzfärbung der Läsion verursacht, kann später eine restaurative bzw. ästhetische Versorgung stattfinden (b). (Fotos: R. Santamaria in Splieth CH, Santamaria RM, Schmoeckel J. Kinderzahnheilkunde in der Praxis. Quintessenz, Berlin 2024)Abb. 1: Die Applikation von Silber(diamin)fluorid auf manifeste kariöse Läsionen ist extrem einfach und daher bei Patienten, die nur eingeschränkt mitarbeiten können, ein wirksamer, erster Therapieschritt (a, 3-jähriges Kind), um die Läsion zu inaktivieren. Da SDF eine Schwarzfärbung der Läsion verursacht, kann später eine restaurative bzw. ästhetische Versorgung stattfinden (b). (Fotos: R. Santamaria in Splieth CH, Santamaria RM, Schmoeckel J. Kinderzahnheilkunde in der Praxis. Quintessenz, Berlin 2024)
Allein seit 2016 sind mehr als 50 systematische Übersichtsarbeiten zu SDF und Karies erschienen, die auf über 500 Einzelpublikationen basieren. Ein systematischer Übersichtsartikel findet für die rein kariespräventive Wirkung von SDF zwar keine klare Überlegenheit gegenüber dem konventionellen Einsatz von Fluoriden (1), aber für den therapeutischen Einsatz bei kariösen Läsionen zeigen sich deutliche Vorteile:
- Gegenüber der ART-Versorgung, also einer Füllungstherapie mit Glasionomerzement, finden sich über 40 % mehr arretierte Läsionen bei der Behandlung mit SDF (2).
- Auch gegenüber einem Placebo zeigt SDF eine deutliche Wirksamkeit bei der Arretierung von kariösen Defekten (3).
- Gerade bei fortgeschrittenen Läsionen kann SDF signifikant höhere Arretierungsraten erzielen als beispielsweise (Natrium)Fluorid (4).
- Durch den Einsatz von SDF in einem Gesamtkonzept der Kariesarretierung lassen sich bei Kindern mit frühkindlicher Karies die Narkosen zu ca. 80 % vermeiden – das macht die Behandlung kostengünstiger und risikoärmer (5).
- Eine einmalige Anwendung von 38 % SDF erscheint als erfolgversprechender Therapieansatz, um multiple, nichtkavitierte Approximalkaries im jugendlich-permanenten Gebiss zu stoppen (6).
- Wurzelkaries lässt sich erfolgreich und unkompliziert durch SDF vermeiden oder arretieren (1, 7).
Fallauswahl ist entscheidend
In Deutschland ist SDF primär für die Therapie von Hypersensitivitäten zugelassen, in Asien auch zur Kariestherapie. Dies liegt vor allem an den Zulassungsregularien. In den USA und Europa wird es trotzdem auch als Off-label Nutzung zum Kariesmanagement empfohlen (8). Besonders hilfreich erschien der Einsatz zunächst bei frühkindlicher Karies bei noch kleinen und unkooperativen Kindern, die andernfalls nur in Narkose hätten versorgt werden können (Abb. 1).
Grundvoraussetzung für die SDF-Anwendung ist eine gesunde Pulpa oder eine reversible Pulpitis, sodass die Läsion über die Bildung von reparativem Dentin von innen heilen kann. Von außen wird das erweichte Dentin remineralisiert und abradiert, beispielsweise beim Zähneputzen oder Kauen. Pulpanekrosen und Fisteln stellen daher eine Kontraindikation dar.
Schnell kamen Indikationen für Wurzelkaries (Abb. 2), caries profunda und jetzt auch nichtkavitierte Approximalkaries hinzu. Dabei wird erst einmal angestrebt, die Läsion zu inaktivieren sowie die Empfindlichkeit zu reduzieren und Karies so zu chronifizieren, um sie danach gegebenenfalls zu restaurieren und ästhetisch zu versorgen (Abb. 1, 2). Die klinische Anwendung ist in der Fachliteratur wie beispielsweise „Kinderzahnheilkunde in der Praxis“ beschrieben (9).

Abb. 2: Auch für (tiefe) Wurzelkaries (a), insb. bei Xerostomie, (dementen) Senioren oder kontinuierlich problematischer Mundhygiene kann SDF eingesetzt werden (b), mit gleichzeitiger oder nachfolgender Restauration (c). (Fotos: C. Splieth)
Fazit
Den systematischen Reviews (10) sowie den Empfehlungen von internationalen Fachgesellschaften (8) zufolge stellt die Anwendung von SDF eine effektive, kostengünstige und minimalinvasive Möglichkeit dar, frühkindliche Karies, Wurzelkaries und gegebenenfalls nicht-kavitierte Approximalkaries zu stoppen. Aufgrund der Schwarzfärbung der Läsionen ist zu empfehlen, vor allem weniger kooperative und schwierige Patienten damit zu behandeln. Anschließend können die inaktivierten Läsionen natürlich restaurativ und ästhetisch versorgt werden.
Den systematischen Reviews (10) sowie den Empfehlungen von internationalen Fachgesellschaften (8) zufolge stellt die Anwendung von SDF eine effektive, kostengünstige und minimalinvasive Möglichkeit dar, frühkindliche Karies, Wurzelkaries und gegebenenfalls nicht-kavitierte Approximalkaries zu stoppen. Aufgrund der Schwarzfärbung der Läsionen ist zu empfehlen, vor allem weniger kooperative und schwierige Patienten damit zu behandeln. Anschließend können die inaktivierten Läsionen natürlich restaurativ und ästhetisch versorgt werden.
Prof. Christian. H. Splieth, Universität Greifswald
Literatur
- Worthington HV, Lewis SR, Glenny AM, Huang SS, Innes NP, O’Malley L, Riley P, Walsh T, Wong MCM, Clarkson JE, Veitz-Keenan A. Topical silver diamine fluoride (SDF) for preventing and managing dental caries in children and adults. Cochrane Database Syst Rev. 2024 Nov 7;11(11):CD012718
- Azuoru MO, Ashiwaju MO, Edomwonyi A, Oyapero A, Obisesan B, Omotuyole A. Randomized controlled trial on the effectiveness of silver diamine fluoride in arresting caries in Lagos, Nigeria. Brazilian J Oral Sci. (2021) 21:e226341.
- Alqalaleef SS, Alnakhli RA, Ezzat Y, AlQadi HI, Aljilani AD, Natto ZS. The role of silver diamine fluoride as dental caries preventive and arresting agent: a systematic review and meta-analysis. Front Oral Health. 2024 Nov 26;5:1492762.
- Yassin R, Amer H, Tantawi ME. Effectiveness of silver diamine fluoride versus sodium fluoride varnish combined with mother’s motivational interviewing for arresting early childhood caries: a randomized clinical trial. BMC Oral Health. 2023; 23: 710
- Abdulrahim R, Splieth CH, Mourad MS, Vielhauer A, Santamaría RM. Protocol for Reducing Dental General Anaesthesia Treatments in Young Children: The Greifswald Concept. Abstract, ORCA 2023, Egmond aan Zee, NL.
- Ahmed E, Al Nesser S, Mourad MS, Splieth Ch, Schmoeckel J. Innovative management of multiple non-cavitated proximal caries in high-risk patients: Combining SDF & Orthodontic Separators. Abstract No 2, ORCA 2024, Heraklion, Crete, Greece, 3rd – 6th of July 2024.
- Chou R, Selph SS, Bougatsos C, Nix C, Ahmed A, Griffin J, Schwarz E. Screening, Referral, Behavioral Counseling, and Preventive Interventions for Oral Health in Adults: A Systematic Review for the U.S. Preventive Services Task Force. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2023 Nov. Report No.: 23-05305-EF-1.
- Splieth CH, Paris S, Schwendicke F. Expertenkonsens von ORCA und EFCD/DGZ – Teil 1: Kariesmanagement bei Kindern. ZM-online 01.10.2020: Kariesmanagement bei Kindern: zm-online
- Splieth CH, Santamaria RM, Schmoeckel J. Kinderzahnheilkunde in der Praxis. Quintessenz, Berlin 2024.
- Vishwanathaiah S, Maganur PC, Syed AA, Kakti A, Hussain Jaafari AH, Albar DH, Renugalakshmi A, Jeevanandan G, Khurshid Z, Ali Baeshen H, Patil SJ. Effectiveness of silver diamine fluoride (SDF) in arresting coronal dental caries in children and adolescents: a systematic review. Clin Pediatr Dent. 2024 Sep;48(5):27-40.